Freitag, 21. November 2014

FHP: Freie Hartz IV Presse
BSG aktuell: angemessene Miete in Dresden für SGB II Empfänger beträgt
294,83 € Brutto-Kalt


Die Klägerin bezog zum 01.06.2008 die auch im streitigen Zeitraum von ihr bewohnte 50,18 qm große Wohnung, für die eine Grundmiete i.H.v 256,50 Euro und nicht aufgeschlüsselte monatliche Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung i.H.v. 100 Euro zu zahlen waren. Eine vor dem Umzug beantragte Zusicherung zur Übernahme der Aufwendungen für die neue Unterkunft hatte der beklagte SGB II-Träger "wegen Unangemessenheit der Mietkosten" abgelehnt.

Die Klägerin hatte im April 2008 schriftlich bestätigt, "die unangemessenen Kosten für die Miete selbst zu tragen". Für die streitige Zeit vom 01.12.2011 bis 31.05.2012 erbrachte der Beklagte nur die von ihm für angemessen gehaltenen Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v 321 Euro, wobei er sich auf ein Gutachten des Instituts Wohnen und Umwelt GmbH (IWU) vom 24.10.2011 zur Ermittlung von Richtwerten für Angemessenheitsgrenzen der Kosten der Unterkunft für die Stadt Dresden berief.

Die Gesamtnebenkostenvorauszahlung teilte er im Verhältnis von 55 % (kalte Betriebskosten) zu 45 % (Heizkosten) auf.
Das SG Dresden hat den Beklagten in Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, weitere SGB II-Leistungen i.H.v. monatlich jeweils 13,55 Euro zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es habe ein Anspruch auf Berücksichtigung eines monatlichen Bedarfs für die Kosten der Unterkunft i.H.v. 288,45 Euro Bruttokaltmiete zuzüglich der hälftig zu berücksichtigenden Heizkostenvorauszahlung von 50 Euro bestanden.

Mit dem IWU-Gutachten liege kein "schlüssiges Konzept" zugrunde.
Das Gericht sei daher gehalten, anhand der zur Verfügung stehenden Zahlen ein eigenes Konzept zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten zu erstellen.

Das LSG Chemnitz, das im Berufungsverfahren ergänzende Stellungnahmen des IWU eingeholt hat, hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Dresden zurückgewiesen und auf die Anschlussberufung des Beklagten tenoriert, der Klägerin weitere SGB II-Leistungen nur i.H.v. 12,70 Euro monatlich zu zahlen. Es hat ausgeführt, der Anspruch auf SGB II-Leistungen setze sich aus dem Regelbedarf und den Kosten der Unterkunft auf der Grundlage des nachgebesserten IWU-Gutachtens sowie der im Rahmen der Bürgerumfrage 2010 mit durchschnittlich 1,16 Euro/qm ermittelten kalten Betriebskosten aus einer Bruttokaltmiete in Höhe von monatlich 294,83 Euro (gerundeter Quadratmeterpreis von 6,55 Euro bei 45 qm Wohnfläche) und den "tatsächlichen" Heizkosten zusammen.
Letztere seien nach den inzwischen vorliegenden Betriebs- und Heizkostenabrechnungen für die Jahre 2011 und 2012 zu ermitteln.

Das im Gutachten des IWU vom 24.10.2011 niedergelegte, nachgebesserte Konzept entspreche den Anforderungen eines schlüssigen Konzepts. Der Ansatz des IWU, die "abstrakte Verfügbarkeit bzw Häufigkeit angemessener Wohnungen" bereits bei der Ermittlung der Angemessenheitsgrenze einzubeziehen, indem die Berechnungen auf Grund der Basis des qualifizierten Mietspiegels der Stadt Dresden und weiter des Verhältnisses zwischen den Häufigkeiten angemessener verfügbarer Wohnungen und versorgungsbedürftiger Bedarfs- und Einstandsgemeinschaften auf der Grundlage der Bestandsdaten der Leistungsempfänger nach dem SGB II und SGB XII erfolge, sei nicht zu beanstanden.
In der deskriptiven Auswertung der Quadratmetermieten durch Bildung von "Flächenkorridoren" von 20 qm berechne das IWU Mittelwerte für die verschiedenen Wohnungsgrößensegmente und schaffe plausible Mietspiegelwerte. Gleiches gelte für den Umstand, dass auf der Angebotsseite eine nicht unerhebliche Anzahl von Ein-Raum-Wohnungen einbezogen worden seien, die eine Wohnungsgröße von ca. 26 qm hätten.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 22 Abs. 1 SGB II.

Das BSG hat entschieden: B 4 AS 9/14 R
Das BSG hat der Revision der Klägerin teilweise stattgegeben. Sie hatte in dem streitigen Zeitraum einen Anspruch auf höhere SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung eines höheren Heizkostenbedarfs.
Das Landessozialgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin nach dem Konzept des beklagten SGB II-Trägers auf der Grundlage des Gutachtens des Instituts Wohnen und Umwelt (IWU) vom 24.10.2011 und dessen ergänzenden Stellungnahmen einen Anspruch auf eine Bruttokaltmiete i.H.v. 294,83 Euro hatte.
Es befand bei seiner Prüfung zu Recht, dass es dem Beklagten unter Berücksichtigung der grundsätzlich bestehenden Methodenfreiheit bei der Erstellung von schlüssigen Konzepten nicht verwehrt war, als nachfrage- und preisrelevanten Faktor in die Festlegung der abstrakt noch angemessenen Quadratmetermiete für das einfache Segment auch Daten von Bestandsmieten der Leistungsempfänger nach dem SGB II und des SGB XII einzubeziehen.

Diese fließen hier nur mit weiteren Modifizierungen, insbesondere der Nachfragekonkurrenz durch andere Niedriglohnbezieher, ein.
Zudem werden als weitere zentrale Datenquelle die sämtliche Personengruppen umfassenden Mietspiegeldatensätze des qualifizierten Mietspiegels für Dresden unter Ausklammerung der Wohnungen nur einfachsten Standards ohne Sammelheizung und/oder Bad berücksichtigt.

Es begegnet auch keinen durchgreifenden revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Landessozialgericht unter Beachtung der besonderen räumlichen Gegebenheiten des Wohnungsmarktes in Dresden Wohnungen mit einer Größe ab 26 qm in die Berechnung einbezogen hat.
Weitere Kritikpunkte an dem Konzept des Beklagten betreffen entweder die Tatsachenfeststellung oder die Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht, ohne dass eine unzutreffende Anwendung der vom BSG formulierten verallgemeinerbaren und entwicklungsoffenen Grundsätze bzw. Prüfungsmaßstäbe für schlüssige Konzepte zur Ermittlung der abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete erkennbar ist.
Es war der Klägerin auch weder unzumutbar noch unmöglich, die Unterkunftskosten zu senken. Auf das Fehlen einer gesonderten Kostensenkungsaufforderung kann sie sich nicht berufen, weil ihr nach den Einzelfallumständen jedenfalls im streitigen Zeitraum die aus Sicht des Beklagten angemessenen KdU-Aufwendungen und die Obliegenheit zur Kostensenkung weit mehr als sechs Monate bekannt waren.

Gericht/Institution: BSG
Erscheinungsdatum: 19.11.2014
Entscheidungsdatum: 18.11.2014
Aktenzeichen: B 4 AS 4/14 R, B 4 AS 12/14 R, B 4 AS 2/14 R, B 4 AS 3/14 R, B 4 AS 9/14 R
(Quelle: juris / RA. Ludwig Zimmermann)

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