Die Ausgestoßenen
Langzeiterwerbslose zählen nicht mehr zur Gesellschaft
(von Werner Schulten)
Langzeiterwerbslose
sind durch die willkürlich herunter gerechneten Regelsätze faktisch von
sozialer Teilhabe weitgehend ausgeschlossen. Aber sind sie dies deshalb
auch offiziell aus der Gesellschaft, aus der Gemeinschaft der Menschen?
Zählen sie nicht mehr zu der Gruppe „jede und jeder“? Nach Meinung der
Bundesregierung offenbar nicht.
Auf die unzähligen Beispiele in
der grundsetzwidrigen Hartz – Gesetzgebung sei hier nicht näher
eingegangen, sondern nur auf ein aktuelles Beispiel.
Der von der
Regierung eingebrachte Gesetzentwurf für einen Mindestlohn [Entwurf
eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie
(Tarifautonomiestärkungsgesetz)]
verstößt daher auch gegen die
UN-Charta der Menschenrechte. Und zwar gegen Artikel 23 (2) Jeder, ohne
Unterschied, hat das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
Ungeachtet dessen heißt es im Entwurf zwar
§ 1 Mindestlohn
(1)
Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung
eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den
Arbeitgeber.
und in
§ 3 Unabdingbarkeit des Mindestlohns
Vereinbarungen,
die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine
Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam.
Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auf den Anspruch nach § 1
Absatz 1 nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten. Die Verwirkung
des Anspruchs ist ausgeschlossen.
Aber in den Schlussvorschriften heißt es
§ 22
(2) Personen im Sinne von § 2 Absatz 1 und 2 des Jugendarbeitsschutzgesetzes
ohne abgeschlossene Berufsausbildung gelten nicht als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes.
…
(4)
Für Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die
unmittelbar vor Beginn der Beschäftigung langzeitarbeitslos im Sinne des
§ 18 des Dritten Buches
Sozialgesetzbuch waren, gilt der Mindestlohn in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung nicht…
Wenn
es also im § 1 klar und deutlich heißt: „jede und jeder hat Anspruch
auf den Mindestlohn“, in den Schlussbestimmungen allerdings festgelegt
wird, dass dieses Gesetz nicht für unter 18jährige ohne Berufsausbildung
und nicht für Langzeiterwerbslose gilt, bedeutet dies doch, dass diese
Personengruppe nicht zu „jedem“ gezählt werden, mithin nicht zur
Gesellschaft.
In vielen Beiträgen und Diskussionen hört man immer
von „wieder in die Gesellschaft integrieren“. Als Beispiel sei hier die
Diakonie Hamburg aufgeführt.
Sie benutzt diese Formulierung in einem Vorschlag für öffentlich geförderte Beschäftigung vom 19.01.2012:
„… die Erwerbslose dadurch erfahren, dass sie in die Gesellschaft integriert werden.“
Mit anderen Worten:
Sie
zählen derzeit nicht zur Gesellschaft, sollen aber eine Chance
erhalten, wieder aufgenommen zu werden. Wohlverhalten und Fleiß
natürlich vorausgesetzt.
Wer hat sie denn auf Grundlage welchen Gesetzes vorher aus der Gesellschaft ausgestoßen?
Vielleicht hilft ja auch da ein Blick in die UN-Charta. Dort heißt es gleich zu Beginn in der Präambel:
Da
die Anerkennung der angeborenen Würde und der gleichen und
unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen…
Geht
man also davon aus, dass Langzeiterwerbslose nicht mehr zur
Gesellschaft gehören, also zur Gesellschaft, so finden die
Menschenrechte auf sie auch keine Anwendung.
Bleibt aber immer
noch die Frage, wer sie denn aufgrund welchen Gesetzes ausgeschlossen
hat. Und woher nimmt sich die Bundesregierung aus CDU und SPD –
besonders schändlich – das Recht, dies vorauszusetzen?
Man könnte
allerdings auch der Meinung sein, dass der Gesetzentwurf durch seinen
eigenen Text gesetzwidrig ist, quasi gegen sich selbst verstößt.
§
3 Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder
seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit
unwirksam.
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