Donnerstag, 18. Dezember 2014

FHP: Freie Hartz IV Presse
Hartz IV in Leipzig: Die "Ahnungslosigkeit" eines SPD Bürgermeister`s
Leipzig begeht weiter und bewußt Rechtsbeugung bei Mietzahlungen für Hartz IV Empfänger
 

Bereits über 50 rechtskräftige Urteile gegen Leipzig...

aber OB Jung kann..."nichts" dazu sagen!?

Christine Läritz aus Leipzig ist seit einem Jahr arbeitslos und bekommt Hartz IV. Die gelernte Buchbinderin wird vom Job-Center systematisch unter Druck gesetzt. Es geht um ihre Wohnung im ersten Stock. Nach Auffassung des Jobcenters ist die Wohnung an einer vielbefahrenen Straße am Stadtrand zu groß und zu teuer.
»Die wollen, dass ich umziehe. Aber ich ziehe nicht um. Ich wohne schon 15 Jahre hier. […] Ich habe es hier schön. Ich habe die Bekannten hier und so weiter.

Grundsätzlich gilt: Hartz-IV-Empfänger haben Anspruch darauf, dass ihre Wohnkosten vom Jobcenter übernommen werden, sofern die Wohnung angemessen ist. Was als angemessen gilt, das richtet sich nach den örtlichen Begebenheiten und wird von der jeweiligen Kommune bestimmt.

In Leipzig liegt die Mietobergrenze für Hartz-IV-Empfänger bei 4,48 kalt pro Quadratmeter. Dabei darf die Wohnung für eine alleinstehende Person nicht größer als 45 Quadratmeter sein. Daraus ergibt sich eine Obergrenze von 201,60 Euro für die Grundmiete. Die Wohnung von Christine Läritz hat 49 Quadratmeter. Die Grundmiete, auch Kaltmiete genannt, beträgt 250 Euro. Damit liegen die Unterkunftskosten bei Christine Läritz deutlich über der örtlichen Mietobergrenze von 201,60. Mehr hat ihr das Jobcenter für die Wohnung nicht bewilligt. Generell gilt zudem die 10% Klausel und zwar Bundesweit!

Das wollte sich Christine Läritz nicht gefallen lassen und zog vor Gericht. Immerhin geht es um rund 50 Euro im Monat. 

In einem vorläufigen Beschluss gab ihr das Sozialgericht Leipzig Recht. Das Jobcenter muss die volle Miete bezahlen. Die Wohnkosten seien keineswegs unangemessen hoch. 
So hat das Gericht nicht nur im Fall von Christine Läritz entschieden, sondern in über 50 anderen Fällen. Weil die Mietobergrenzen nicht so ermittelt wurden, wie es das Gesetz fordert.

"Das Sozialgericht hat bislang allen Klagen von Leistunsempfängern auf höhere Leistungen stattgegeben. Die Mietobergrenzen der Stadt Leipzig sind nach unserer Auffassung rechtswidrig. Die zu Grunde liegenden Datenerhebungen sind nicht so vorgenommen worden, wie es das Bundessozialgericht es verlangt".
So Michael Pies, vom Sozialgericht Leipzig

Bundesweite Praxis
Dabei handelt es sich keineswegs um ein lokales Phänomen. Bundesweit haben Sozialgerichte örtliche Mietobergrenzen für rechtswidrig erklärt. Und zwar überall dort, wo diese Mietobergrenzen nach Auffassung des Gerichts nicht die Realität am Wohnungsmarkt abbilden. Leipzig ist da nur ein Beispiel von vielen.
"Das Bundessozialgericht verlangt aber, dass nach mathematisch-statistischen Methoden eine Datenerhebung durchgeführt wird, die nachvollziehbare, valide Daten produziert. 

Die Stadt Leipzig hat eine Methode gewählt, die diesen Anforderungen nach unserer Auffassung nicht genügt. Damit sind die tatsächlichen Unterkunftskosten zu erstatten".
Sagt Michael Pies weiter vom Sozialgericht Leipzig

Ohne Klage kein Geld
Die tatsächliche Miete bekommt aber nur, wer klagt. Betroffene Hartz-IV-Empfänger, die sich nicht vor Gericht wehren, gehen leer aus.

Schätzungen zu Folge spart das Jobcenter in Leipzig mit dieser reuchtsbeugenden Handlungsweise über 5 Millionen Euro pro Jahr

Es wendet trotz der Urteile des Sozialgerichts weiter die gleichen Berechnungen, mit den gleichen Mietobergrenzen an, selbst bei denen, die schon geklagt und gewonnen haben. Christine Läritz hat vor kurzem einen neuen Bescheid für den nächsten Bewilligungszeitraum erhalten.
Darin wird ihr wieder die Miete gekürzt. Christine Läritz hat gar keine Wahl: Sie geht wieder zu ihrem Anwalt. Sie wird erneut Widerspruch einlegen und -wenn nötig - mit Hilfe ihres Anwaltes wiederum klagen.

Michael Pies meint weiter:
"Für unsere Arbeit bedeutet das natürlich, dass wir eine große Flut von Klagen zu dieser Thematik haben. Das lähmt uns. Wir bauen jedes Jahr Verfahren auf. Das heißt wir können nicht so viel erledigen wie reinkommt".

Nachfrage bei der Stadt Leipzig, die verantwortlich für die Festlegung der Mietobergrenzen ist. Ein Interview zu diesem Thema lehnt die Stadt jedoch ab. Oberbürgermeister Jung wird bei einem seiner Termine auf die fragwürdigen Mietobergrenzen angesprochen.

"Kann ich Ihnen nichts zu sagen. Es geht darum, dass wir versuchen, über den Mietspiegel, den wir selbst erarbeiten, und die Richtlinien zu agieren. Es gibt sicherlich den einen oder anderen, der vor Gericht dann auch Recht bekommt. Wir versuchen alles zu verhindern, damit Menschen, die kurzfristig arbeitslos sind oder langfristig arbeitslos sind, wirklich umziehen müssen in ihren Stadtteilen".  

So Burkhard Jung, Oberbürgermeister Stadt Leipzig.

Sparen, wo es geht
Tatsächlich versuchen die Kommunen aber vor allem zu sparen, wo es geht. Sie müssen nämlich für die Unterkunftskosten aufkommen. Aus einer Zielvereinbarung der Stadt Leipzig mit dem Jobcenter geht hervor, was wirklich Priorität hat. "Ziel 1" ist demnach, die "Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung so gering wie möglich halten." Es geht also in erster Linie ums Geld.

Genauso in Wuppertal, in Nordrheinwestfalen. Auch dort hat das zuständige Sozialgericht in mehreren Entscheidungen festgestellt, dass die Mietobergrenzen des örtlichen Jobcenters rechtswidrig sind. Und dennoch wird Hartz-IV-Empfängern weiter die Miete gekürzt. Harald Thomé leitet eine Beratungsstelle für Erwerbslose und gilt als ausgewiesener Fachmann für Hartz IV.
"Im Bereich der Unterkunftskosten ist es einfach so: Die Bescheide sind rechtswidrig. 

Die Behörde handelt vorsätzlich rechtswidrig. [...] Sie verrechnen sich nicht, sie kalkulieren damit. Sie handeln vorsätzlich rechtswidrig".

Harald Thomé, Sozialreferent Tacheles e.V.

 Thomé schätzt, dass die Kommune so etwa 300.000 Euro monatlich einspart - auf Kosten der Bedürftigen. Das Jobcenter Wuppertal bestreitet die Vorwürfe. Demnach gibt es zwar erstinstanzliche Urteile zu den Mietobergrenzen, gegen die habe das Jobcenter aber Berufung eingelegt. Die Entscheidungen seien daher bis heute nicht rechtskräftig, da die Verfahren andauerten.

Unstrittig ist dabei, dass die Regeln zu den Unterkunftskosten Klagen geradezu provozieren. Viele Sozialgerichte melden für 2014 unvermindert hohe Klageeingänge. Selbst die Chefs der Jobcenter finden, da müsste etwas unternommen werden. In einem internen Papier stellen sie fest, die Bedingungen hätten sich im Verlauf der Jahre immer "schwieriger gestaltet". Die rechtlichen Bestimmungen seien "immer komplizierter" geworden. Um endlich Klarheit bei den Mietkosten zu erreichen, fordern sie "eine Pauschalierung der Unterkunftskosten auf lokaler Ebene".

Tatsächlich plant Arbeitsministerin Andrea Nahles Vereinfachungen bei Hartz IV. Bis Mitte nächsten Jahres soll diese erneute Reform umgesetzt werden. Allerdings: Das Thema "Kosten der Unterkunft" wurde vollständig ausgeklammert.
"Da bräuchte es eigentlich klare bundesweite Regelungen, um da mehr Transparenz, sowohl für die Betroffenen als auch für die Gerichte zu schaffen. Damit klar ist, welche Leistungen tatsächlich erstattet werden und welche nicht. Und die Bundesregierung macht an der Stelle, bei der sogenannten Rechtsvereinfachung, die jetzt geplant ist, nichts.
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Sozialpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen".


Für Hilfe-Empfänger wie Christine Läritz bedeutet das: Die Unsicherheit bleibt. Und bei jedem neuen Bescheid muss wieder geklagt werden.
(Autor: Thomas Falkner)


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