Freitag, 24. Oktober 2014


Skandal beim Havelländer Jobcenter
Hartz IV - Versklavung


Wer hat ähnliche Erfahrungen bei den neusten Eingliederungsmaßnahmen „Aktiv im Unternehmen“ des Jobcenters gemacht?
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Der MAZ-Artikel „Ausbeutung von Langzeitarbeitslosen im Havelland“ in der Freitagsausgabe vom 10.10.2014, scheint wohl nur die Spitze vom Eisberg zu sein. Denn wie es scheint, legt man in der Zentrale des Jobcenter Havelland, bei der Umsetzung von Weisungen, die es von der Bundesagentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung auf der Grundlage von § 16 SGB ll i.V.m. § 45 SGB lll gibt, nicht besonders großen Wert zu legen.

Darin steht unter anderem, dass Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung gem. § 45 Abs. 2 S. 2 SGB III maximal acht Wochen dauern dürfen. Selbst nach der Sonderregelung des § 16 Abs. 3 SGB II (unter 25-Jährige mit schwerwiegenden Vermittlungshemmnissen) darf eine Eingliederungsmaßnahme die Dauer von 12 Wochen nicht überschreiten. Bei den Maßnahmen, die das Jobcenter Havelland derzeit durchführt, handelt es sich jedoch um Zeiträume von bis zu 6 Monate. Bei Bedarf sogar länger.

Des Weiteren finden die, gemäß den Weisungen der Bundesagentur, enthaltene berufliche Kenntnisvermittlung de facto nur auf dem Papier statt. Dazu wird eine externe Bildungsagentur mit ins Boot geholt, die die „Betreuung“ der „Langzeitarbeitslosen mit Vermittlungshemmnissen“ übernimmt. Dafür fließt pro Teilnehmer auch eine, nicht unerhebliche, Summe X an den Bildungsträger. Doch findet in den Projektpartnerbetrieben weder eine Vermittlung fachtheoretischer, noch eine fachpraktischer Inhalte statt. Da es an entsprechendem Personal mangelt. So wäre die Aussage vom Leiter des Jobcenters widerlegt, dass es zusätzliche Qualifikationen und Zeugnisse während der Teilnahme geben soll.

Allenfalls gibt es eine kurze Einweisung und dann sollen sich die Teilnehmer möglichst schnell in den Produktionsprozess „einfuchsen“. Denn alles andere würde dem Partnerbetrieb „nur zur Last“ fallen. „Denn, (Zitat Dennis Granzow aus dem MAZ-Artikel vom 18.09.2014) … man könne von keinem Betrieb erwarten, dem Staat bei laufendem Betrieb einfach so aus der Patsche helfen.“ so der Dezernent.

Deshalb gibt es ja auch keine weitere Vergütung mehr (wie einst bei den so genannten Ein-Euro-Jobs von 1,70 € brutto).

Es grenzt schon an Zynismus, wenn Herr Granzow sich auf „das Gesetz“ beruft und diese Kleinigkeit einfach weglässt und mit den Worten überspielt „Die Betroffenen sind im vollständigen Leistungsbezug nach dem SGB II“.

Was für eine Motivation für die Maßnahmeteilnehmer, ohne Lohn zu schufften! Da lässt es sich doch noch viel besser „Aktiv im Unternehmen“ arbeiten.

Auch lässt Herr Granzow weg, dass es keine Erstattung von Verpflegungs-mehraufwand für die „Betroffenen“ gibt. Obwohl einige der eLb’s – so die Abkürzung für Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, teils bis zu über12 Stunden Ortsabwesenheit beträgt.

Überhaupt scheint der Leiter des Jobcenters die „Kunst des Weglassens“ gut zu beherrschen und diese auch nach „Unten“ durchstellt. Beispielsweise, dass dem eLb Sanktionen drohen, sofern er sich dieser Maßnahme verweigert. Oder das in den Partnerbetrieben teils in Schichten gearbeitet werden soll. Speziell vor dem Weihnachtsgeschäft (selbstverständlich auch ohne Schichtzulage). Das es sich während der „Ausbildung“ um eine volle 40 Stundenwoche, bei täglichen Pausenzeiten von 2x15 oder 1x 30 Minuten, handelt.

Wer sich auf das Gesetz beruft, sollte wissen, dass es manchmal auch nach hinten losgehen kann. Denn gemäß den Weisungen der Bundesagentur soll die Kenntnisvermittlung innerhalb von 8 Wochen bei einer 30 Stundenwoche erfolgen. Davon sollen 15 Stunden für Fortbildung / Theorie und die andere Hälfte der Zeit in so genannte produktionsorientierte Tätigkeiten ausgeübt werden.

Hier mal ein Artikelauszug von Rechtsanwalt Jan Frotschner:

Aber auch wenn das „Aktivcenter“ als Arbeitsmaßnahme angesehen würde, dürfte Unzumutbarkeit nach § 10 SGB II anzunehmen sein. Eine Arbeit – auch in Teilzeit – über mehr als neun Monate ohne Aufwandsentschädigung ist per se unzumutbar, weil bereits Lohndumping und somit erst recht Beschäftigung ohne Lohn grundsätzlich rechts- und sittenwidrig ist. In ihrer fachlichen Weisung zu § 10 SGB II weist die Bundesagentur für Arbeit in Rz. 10.03 darauf hin, dass gemäß der Rechtsprechung Sittenwidrigkeit vorliegt, wenn der Lohn weniger als 2/3 unter dem üblichen Tariflohn (bei existierendem Tarifvertrag) oder ortsüblichem Lohn liegt und in diesem Fall ein Jobangebot wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB II folgenlos - d.h. mit zwingend anzuerkennendem wichtigen Grund nach § 31 Abs. 1 S. 2 SGB II - abgelehnt werden kann und somit eine Sanktion ausgeschlossen ist. (vgl. BAG v. 22.04.2009 - 5 AZR 436/08 -; SG Dortmund v. 02.02.2009 - S 31 AS 317/07 -; SG Berlin, Beschl. v. 19.09.2011 - S 55 AS 24521/11 ER -)

Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass das geplante „Aktivcenter“ auch in einer Ausgestaltung als sogenannter "Ein-Euro-Job" (Arbeitsgelegenheit mit Aufwandsentschädigung) nach § 16d SGB ll für die „produktionsorientierten Tätigkeiten“ zumindest mit den in der „taz“ mitgeteilten Arbeitsinhalten rechtswidrig sein dürfte. Zum einen sind die geplanten „produktionsorientierten Tätigkeiten“ wie „Landschaftspflege mit Laubharken“ reine Beschäftigungsmaßnahmen bzw. „pädagogisches Element“ und haben ersichtlich nichts mit dem von der Bundesregierung angegebenen Ziel „Fertigkeiten und Fähigkeiten festzustellen, zu aktivieren, zu entwickeln und erworbene berufliche Fertigkeiten zu erproben“ zu tun. Zum anderen wären auch "Ein-Euro-Jobs" an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu messen, wonach es sich um eine "zusätzliche" Arbeit handeln muss und keine Erfüllung originärer Aufgaben der Gemeinde erfolgen darf. Auch dies dürfte nach dem derzeitigen Informationsstand zum „Aktivcenter“ zweifelhaft sein, wenn diese 510 Stellen zum Kontingent der rund 3.000 Stellen öffentlich geförderter Beschäftigung zählen sollen.

Als Fazit verbleibt, dass das vom Jobcenter Hamburg geplante und offenbar von der Bundesregierung gebilligte „Aktivcenter“ nach jeder Betrachtungsweise gegen zwingende Vorschriften des SGB II und SGB III verstößt.
www.kanzlei-frotschner.de

Des Weiteren ein Urteil des SG Oldenburg, siehe (http://sozialberatungkiel.files.wordpress.com/2013/05/sg-oldenburg-s-42-as-82-13-er.pdf)

Hierzu sei erwähnt, dass die Idee zu den Null-Euro-Jobs nun keine neue Erfindung des Havelländer Jobcenters ist. Hier war man nur schneller, als der im Artikelauszug genannte Hamburger Senat. Die diese Zwangsmaßnahme ab Dezember einführen will.

Interessant ist auch, dass bei der Auswahl der Teilnehmer der Partnerbetrieb das Sagen hatte und nicht durch so genanntes Profiling des Jobcenters. Der Partnerbetrieb hat sich die relativ gut qualifizierten Bewerber herausgepickt. Die Teilnehmer wurden anlässlich eines Bewerber- / Infotags perfide in die Maßnahme gelockt, indem Ihnen vom Partnerbetrieb ein, auf ein Jahr befristetes Arbeitsverhältnis „in Aussicht“ gestellt worden ist.

Auch das verstößt gegen die Vorgabe der Bundesagentur. Denn die Maßnahme soll genau Denen in einen Job helfen, die sonst mangels Bildungsstand, auf dem Arbeitsmarkt kaum eine Chance hätten. Hier wird eklatant gegen die Gleich-stellung Benachteiligter verstoßen.

Hinzu kommt, dass der Partnerbetrieb auch einen gewissen Wettbewerbsvorteil erlangt, da ihm die Maßnahmeteilnehmer nichts kosten, sondern dem Steuerzahler.

Traurig ist dabei, dass sogar die Optikpark GmbH davon Gebrauch macht. Auch hierbei handelt es sich um eine Firma, und nicht wie vielleicht Jemand glauben mag, um einen Gemeinnützigen Verein, oder kommunale Einrichtung. Die Stadt hatte auf Grund der angespannten Haushaltslage die Zuschüsse für die Optikpark GmbH jüngst um 50 000 gekürzt.

Fazit: Die ganze Maßnahme ist sittenwidrig und verstößt gegen das Grundgesetz. Ganz abgesehen von der Moral gewisser Leute.

Wer sich für den Wortlaut der Maßnahme „Aktiv im Unternehmen“ interessiert, kann unter dem folgenden Link, die Fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit durchlesen.

http://www.tiaw.de/BA%20Fachliche%20Hinweise-Produktionsorientierte-Taetigkeiten-MAT.pdf

Zu guter letzt noch die Sache mit der Hilfe zur Verbesserung der Mobilität von Langzeitarbeitslosen. So erwähnt im MAZ-Artikel vom 18.09.2014 „Jobcenter bietet neue Anreize“ vollständiger Artikel hier: http://www.maz-online.de/Lokales/Havelland/Aktiv-im-Unternehmen hier ein Artikelauszug:

Das Jobcenter des Landkreises will die Mobilität künftig stärker fördern. Auch der Kauf eines Autos soll in Einzelfällen unterstützt werden, „wenn es das letzte Hindernis auf dem Weg zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ist“, sagt Dezernent Dennis Granzow. „Jemand aus Bahnitz muss die gleichen Chancen auf einen Job im Osthavelland haben wie jemand aus Brieselang“, so Granzow.
In der Vergangenheit hatte sich der Landkreis bereits für zusätzliche Busstopps an den Logistikzentren von Rossmann, Amazon und Zalando eingesetzt und dafür auch eigenes Geld in die Hand genommen.

Hierzu können einige Betroffene auch gegenteilige Aussagen schildern.

Wer sich auch dazu äußern möchte, jedoch lieber anonym bleiben möchte, kann sich an die Redaktion per Email info@rathenow24.de melden.
Alle Zuschriften werden vertraulich behandelt.
Oder auch telefonisch unter 03385-51191818

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