Hamburg plant 1. öffentlichen Sklavenmarkt
Für 0-€uro sollen 500 Langzeitbezieher vermarktet werden!
Träger sind entsetzt.
"Nix mit Mindestlohn
Arbeiten für 0 Euro geplant"
(Quelle: TAZ)
Die Hamburger Beschäftigungsträger haben vor einer neuen Kürzung auf
dem Arbeitsmarkt gewarnt. Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) plane für
nächstes Jahr 500 Null-Euro-Jobs. Die teilnehmenden Arbeitslosen bekämen
dann nicht mal mehr den obligatorischen Euro die Stunde, nach dem die
1-Euro-Jobs getauft worden sind. Real sind dies inzwischen 1,70 Euro.
Hartz-IV-Empfänger können also bei einer 30-Stunden-Woche etwa 204 Euro
im Monat dazuverdienen.
Um diese sogenannten
Arbeitsgelegenheiten, kurz AGH, gibt es seit Jahren Streit. Im Jahr 2010
gab es noch rund 10.000 AGH in Hamburg. Nachdem der Bund die Gelder
gekürzt hat, sind sie auf derzeit 3.100 gesunken. Seit Jahren schon
fordert die Opposition von der SPD einen „sozialen Arbeitsmarkt“, der
Langzeitarbeitslosen eine Perspektive bieten könnte.
Einen solchen
sozialen Arbeitsmarkt gebe es bereits, sagt Scheeles Sprecher Marcel
Schweitzer und listet ein Programm mit insgesamt 3.631
Arbeitsgelegenheiten für 2015 auf. Das seien etwas mehr als in diesem
Jahr. Doch neben den 2.320 klassischen 1-Euro-Jobs sind auch diverse
Maßnahmen wie besagte 500 Plätze für „marktferne
Langzeitleistungsbezieher“ vorgesehen. Diese Null-Euro-Jobs sollen
„stärker produktionsorientiert“ sein und fußen auf einem anderen Gesetz
als die übrigen AGH – nämlich auf Paragraf 45 des Sozialgesetzbuches
III, dem Arbeitsförderungsrecht.
Eingesetzt werden könnten die
Null-Euro-Kräfte etwa in der Dulsberger Stadtteilküche „Pottkieker“, die
Essen für bedürftige Senioren anbietet, sagt Schweitzer. Denn die
Kriterien für Null-Euro-Jobs seien weniger streng. Es reiche, wenn der
Gaststättenverband bescheinige, dass Einrichtungen wie „Pottkieker“ oder
das Stadteilcafé Steilshoop den Markt nicht kaputtmachten.
Solche
Unbedenklichkeitserklärungen hat es für Stadtteilprojekte wie den
„Pottkieker“ bereits gegeben. Doch der Bundesrechnungshof sah die vom
Gesetz geforderte Wettbewerbsneutralität trotzdem gefährdet, nahm die
Sache unter die Lupe und machte Druck. In der Folge sollen Mitarbeiter
vom Team Arbeit Hamburg des Jobcenters persönlich in Haftung genommen
worden sein. Sie hätten mit der Bewilligung von 1-Euro-Jobs für
Stadtteilprojekte gegen jene Wettbewerbsneutralität verstoßen. „Wir
hören, dass Mitarbeiter empfindliche Gehaltsabzüge hinnehmen müssen“,
berichtet Petra Lafferentz von der Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit und
Geschäftsführerin des Trägers „Alraune“, der unter anderem das
Stadteilcafé Steilshoop betreibt. Es soll sich um vierstellige Summen
handeln.
Danach gefragt, erklärt Jobcenter-Sprecherin Heike
Böttger, eine solche Haftbarmachung von Jobcenter-Mitarbeitern sei nach
Beamten- und Tarifrecht „bei grober Fahrlässigkeit beziehungsweise
Vorsatz möglich“. In einem Fall, der bereits endgültig entschieden
wurde, sei ein Mitarbeiter mit einer Schadensersatzforderung
konfrontiert. „Zu noch laufenden Verfahren können wir derzeit keine
Aussagen treffen“, sagt Böttger.
„Dieser Druck führt dazu, dass
die Jobcenter sich Auswege wie diese Null-Euro-Jobs ausdenken“, sagt
Lafferentz. Von Trägern aus anderen Bundesländern wisse sie, dass solche
Maßnahmen bei Arbeitslosen sehr unbeliebt sind. „Die Leute werden
gezwungen zu arbeiten und kriegen kein Geld“, sagt sie. Das Problem mit
dem Bundesrechnungshof dürfe nicht auf dem Rücken der
Langzeitarbeitslosen oder einzelner Verwaltungsangestellter gelöst
werden. Senator Scheele müsse es politisch lösen. Früher etwa hätte der
Senat auf Landesebene wirksame Absprachen mit der Wirtschaft über
Beschäftigungsmaßnahmen getroffen.
Schweitzer weist die
Vorwürfe der Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit als Unsinn zurück. Der
Sozialbehörde lägen keine Erkenntnisse über persönliche Haftung von
Jobcenter-Mitarbeitern vor und Senator Scheele habe sich auf Bundesebene
dafür eingesetzt, dass die Hilfen für Langzeitarbeitslose wieder erhöht
werden. Zudem entsprächen die geplanten AGH dem Bedarf der potenziellen
Teilnehmer. „Wir konstruieren keinen sozialen Arbeitsmarkt, um Träger
glücklich zu machen“, sagt Schweitzer.
In der Frage der
Bezahlung für die 500 Null-Euro-Jobs bemühe man sich gemeinsam mit
Jobcenter und Bundesarbeitsministerium um eine Lösung. Vorstellbar wäre
ein Verdienst von 100 Euro im Monat. „Nach allem, was ich höre, bin ich
skeptisch, ob es dazu kommt“, sagt Lafferentz. Die Träger hätten von
Null-Euro-Jobs keinen Nachteil, weil sie die gleiche Fallpauschale
erhalten. „Gekniffen sind die Teilnehmer.“
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