Dienstag, 28. April 2015


FHP: Freie Hartz IV Presse
Hartz IV

Jobcenter Leipzig verliert gegen Vater

Urteil vom 23.3.2015 Hartz IV: 
Neues wichtiges Urteil u.a. für alle alleinerziehenden Eltern mit kleinen Kindern, die in spezielle "Maßnahmen für Alleinerziehende" gesteckt werden (sollen) 

Jobcenter Leipzig erleidet erneut schwere Niederlage, nachdem es versuchte einen "Gerichtsbeschluss" zu verhindern.

Mit der Fortsetzungsfeststellungsklage konnte der betroffene Vater jedoch einen klaren Punktsieg: Sowohl gegen das Jobcenter Leipzig als auch den Maßnahmeträger VMBK e.v. erringen.
 
Der nachstehende Beschluss der inzwischen Rechtskräftig ist, - belegt die Rechtswidrigkeit der Maßnahme " für Alleinerziehende" vom Leipziger Jobcenter, in Zusammenarbeit mit dem VBMK e.V.

Zusammenfassung/ Vorgeschichte
Ein alleinerz. Vater wurde gezwungen an einer Maßnahme für Alleinerz. teilzunehmen, deren Bedingung eine 9h  Anwesenheitspflicht ( in den ersten 6 Wochen) war. Zudem hatte der Vater noch jeweils 1h An-und Abfahrzeit. Damit wäre er trotz des Anspruches auf Teilzeit (max. 4h) 11h täglich aus dem Haus gewesen. Betreuung seiner Kinder war lediglich für 8-9 h durch Schule und Hort gewährleistet.  Zudem hatte das Jobcenter etwa 1 Monat nach einer riskanten Aneurysma-OP mit einem Coilling im Kopf des Vater`s per Ferndiagnose festgestellt, das der Vater voll Arbeitsfähig wäre.  In dieser Zeit wurde er unter Mißachtung des Rechtsanspruches auf Teilzeit zur der täglich 9h Maßnahme per Verwaltungsakt verpflichtet.  Nach seinen Widerspruch zur 1sten "Ferndiagnose" wurde in einer 2ten richtigen Untersuchung dann für wenigstens 6 Monate eine Vermittlungsunfähigkeit festgestellt.  Die Maßnahme selbst erfüllte zudem nicht Ansatzweise die Kriterien der gesetzlichen Vorgaben. Durch die Hintertür mit einer E-mail, wollte das Jobcenter seine Fehler noch rechtzeitig korrigieren und wies den Maßnahmeträger an, ihm einen 4 h Teilzeitvertrag zu geben. Nur kam diese "Order" ein Tag zu spät.  Diesen Trick erkannte das Gericht nach Prüfung der Unterlagen. Es stellte auch fest, das der Vater zu diesem Zeitpunkt hätte garnicht verpflichtet werden dürfen und eben die Bedingungen und Vorrausetzungen für einen Verwaltungsakt nicht gegeben waren. Es hätte u.a. ohne eine Potenzialanalyse und Klärung der Familien und Gesundheitssituation kein Verwaltungsakt erlassen werden dürfen. (Aortenaneurysma = "tickende Zeitbombe"   http://de.wikipedia.org/wiki/Aortenaneurysma)    



In soweit kann und sollte dieser Beschluss von anderen Betroffenen bzw. ihren Anwälten, angewendet werden!

Das Sozialgericht Leipzig beschreibt darin sehr genau:
Welche Anforderungen sowohl an das Jobcenter, als auch den Maßnahmeträger gestellt werden, damit eine EGV oder ein Verwaltungsakt überhaupt Rechtswirksam werden kann.
Dabei geht es auf weitere Rechtsansprüche wie "Teilzeit" nur am Rande ein, da im Kontext soviele Normen verletzt wurden, das darauf kein näherer Bezug genommen werden musste!
Das Sozialgericht Leipzig normiert und bestätigt rechtliche Vorraussetzungen, die erfüllt sein müssen!

Beschluss: vom 23.03.2015
Abschrift
S 22 AS 2009/12

SOZIALGERICHT LEIPZIG
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

In dem Rechtsstreit
XXXXXXXXX
XXXXXXXXX 04159 Leipzig
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: fsn-recht Rechtsanwälte, Dirk Feiertag und Kristina Sosa
Noreña, Georg-Schumann-Straße 179, 04159 Leipzig
gegen
Jobcenter Leipzig, vertreten durch den Geschäftsführer, Erich-Weinert-Straße 20, 04105
Leipzig
- Beklagter -
hat die 22. Kammer des Sozialgerichts Leipzig auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2015 in Leipzig durch den Richter am Sozialgericht Schiller und die ehrenamtlichen Richter Herr Piepersberg und Frau Dr. Uhlig für Recht erkannt:
I. Es wird festgestellt, dass der Bescheid vom 2.5.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.6.2012 rechtwidrig war.
II. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

T a t b e s t a n d:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Regelungen über Leistungen zur Eingliederung, die durch Verwaltungsakt erfolgten, nachdem eine Eingliederungsvereinbarung
nicht zustande kam.

Nach eigenen Angaben ist der 1965 geborene Kläger Vater von sechs Kindern und wohnt er seit Dezember 2005 in Leipzig. Mit Beschluss vom 24.9.2010 übertrug das Amtsgericht
Leipzig dem Kläger u.a. das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die 2005, 2007 und 2008 geborenen Kinder des Klägers. Mit diesen Kindern lebt der Kläger nach eigenen Angaben als Alleinerziehender.
Nach Aktenlage ist der Kläger gelernter Hotelfachmann.
Zum 15.12.2011 wurde der Kläger vom Beklagten einem Projekt "Neue Wege für Alleinerziehende" zugewiesen. Eine Teilnahme des Klägers erfolgte nicht. Die "Einleitung von
Rechtsfolgen" durch den Beklagten unterblieb nach Anhörung des Klägers "aufgrund der
Beginnzeiten".

Am 2.5.2012 wurde vom Beklagten ein weiteres Beratungsgespräch mit dem Kläger dokumentiert. Auf den Inhalt des Beratungsvermerkes wird Bezug genommen (Bl. 16 der Eingliederungsakte).
Am 2.5.2012 erließ der Beklagte eine "Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt" (sog. Eingliederungsverwaltungsakt). Unter "Ziel(e)" wird darin ausgeführt: "Integration in 1. Arbeitsmarkt" und "Teilnahme an der Maßnahme 'Alles' für Alleinerziehende gem.... beim VMKB e.V.".
Weitere Einzelheiten seien dem separat ausgehändigten Zuweisungsschreiben zu entnehmen. Dieses sei als Anlage zur Eingliederungsvereinbarung zu verstehen. Die Festlegungen des Eingliederungsverwaltungsaktes galten für die Zeit vom 2.5.2012 bis 6.2.2013. Die Zuweisung benennt eine Dauer vom 7.5.2012 bis 6.2.2013.

Auf den weiteren Inhalt des Eingliederungsverwaltungsaktes und der Zuweisung vom 2.5.2012 wird Bezug genommen (Bl. 1 ff. der Eingliederungsakte).
Beim VMKB e. V. handelt es sich um den Verein für Motivation, Kommunikation und berufliche Bildung (vgl. http://www.vmkb.de).

Am 7.5.2012 (einem Montag) stellte sich der Kläger beim VMKB e.V. vor. Dabei unterzeichnete er einen Teilnehmervertrag. § 1 des Vertrages benennt als Beginn der Maßnahme
den 7.5.2012 und als Ende den 6.5.2013. § 2 Abs. 3 des Vertrages lautet:
"Die Wochenstundenzahl beim Träger der Maßnahme während der Startphase von in der Regel 6 Wochen beträgt in Vollzeit 39 Zeitstunden ohne Pausen. Die tägliche Anwesenheitszeit beträgt 9 Zeitstunden einschließlich der Pausen."

Daneben vermerkte der Kläger handschriftlich: "Nicht möglich". Auf den weiteren Inhalt des Teilnehmervertrages vom 7.5.2012 wird Bezug genommen (Bl. 15 f. der Gerichtsakte).
Ab dem 8.5.2012 wurde dem Kläger eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt.
Am 21.5.2012 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Eingliederungsverwaltungsakt und die Zuweisung vom 2.5.2012. Die Teilnahme an der Maßnahme sei ihm als gesund-
heitlich beeinträchtigter Alleinerziehender unzumutbar.

Am 30.5.2012 hat der Kläger beim erkennenden Gericht einstweiligen Rechtsschutz beantragt (Az.: S 22 AS 1787/12 ER).

Mit Widerspruchsbescheid vom 5.6.2012 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 2.5.2012 zurück. Unter Ausübung des ihm eingeräumten Ermes-
sens habe er den Kläger die Teilnahme an einer speziell auf Alleinerziehende zugeschnittenen Maßnahmekombination zugewiesen. Diese Maßnahme sei zur Eingliederung des Klägers in das Erwerbsleben geeignet und erforderlich. Alternativen zur Eingliederung seien nicht erkennbar. Auf erfolglose Eigenbemühungen des Klägers dürfe sich der Beklagte nicht mehr verlassen. Durch
das Fehlen eines starren Zeitrahmens und der verkürzten Anwesenheit sei dem Kläger auch als Alleinerziehender die Teilnahme an der Maßnahme möglich.

Dagegen richtet sich die am 14.6.2012 erhobene Klage.

Im Verfahren S 22 AS 1787/12 ER hat der Beklagte mit Schreiben vom 29.6.2012 mitgeteilt, der VMKB e.V. habe den Kläger zum 21.6.2012 aufgrund einer mehr als sechs Wochen andauernden Abwesenheit aus der Maßnahme genommen.
Mit Schreiben vom 28.2.2014 hat der Beklagte weitere Einträge aus dem VermittlungsBeratungs- und Informationssystem (VerBIS) vorgelegt. Auf den Inhalt des Schreibens und der Anlagen hierzu wird Bezug genommen (Bl. 30 ff. der Gerichtsakte).
Der Kläger meint, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig. An dieser Feststellung habe er aufgrund einer bestehenden Wiederholungsgefahr ein berechtigtes Interesse. Zur Begründung der Rechtswidrigkeit wiederholt der Kläger sein Vorbringen im Vorverfahren und im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Der Kläger stellt den Antrag aus dem Schreiben seines Bevollmächtigten vom 16.1.2013 (Bl. 28 der Gerichtsakte).

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Rechtmäßigkeit der Zuweisung verweist der Beklagte auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 5.6.2012. Der vom Kläger gewünschte Verzicht auf zukünftige Zuweisungen von Eingliederungsmaßnahmen sei zurückzuweisen.

Das Gericht hat eine vom Beklagten vorgelegte Akte (nachfolgend: Eingliederungsakte;
Bl. 1 bis 30) und die Gerichtsakte zum Verfahren S 22 AS 1787/12 ER beigezogen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid vom 2.5.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.6.2012 war rechtswidrig. Eine teilweise Feststellung der Rechtswidrigkeit schied aus.

Gegenstand des Verfahrens (§ 95 SGG) ist der Bescheid vom 2.5.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.6.2012. Der Bescheid vom 2.5.2012 enthält mehrere Verwaltungsakte i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 31 Satz 1 SGB X.

Denn mit dem Eingliederungsverwaltungsakt vom 2.5.2012 erfolgten Regelungen nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II). Ob das gesonderte Zuweisungsschreiben vom 2.5.2012 lediglich als "Anlage zur Eingliederungsvereinbarung" (zum Eingliederungsverwaltungsakt) ohne eigenständige Regelungen i.S.d. § 31 Satz 1 SGB X oder als weitere(r) Verwaltungsakt(e) zu behandeln ist, bedarf keiner Entscheidung (vgl. hierzu bei Zuweisungen zu Arbeitsgelegenheiten z.B. BSG, Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 75/12 R, juris: Rn. 16 ff. m.w.N.).

Selbst wenn das Zuweisungsschreiben als eigenständiger Verwaltungsakt auszulegen sein sollte, hätte sich dieser Verwaltungsakt ebenso wie der Eingliederungsverwaltungsakt erledigt i.S.d. § 39 Abs. 2 SGB X. Da sämtliche Verlautbarungen des Beklagten vom 2.5.2012 nicht förmlich zurückgenommen, widerrufen oder anderweitig aufgehoben wurden, haben sie sich spätestens zum 6.5.2013 durch Zeitablauf erledigt.
Zwar bezog sich der Bescheid vom 2.5.2012 nur auf die Zeit bis zum 6.2.2013. Jedoch bezeichnet der Teilnehmervertrag als Ende der Maßnahme den 6.5.2013.

Die vom Kläger begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit des - nach der Klageerhebung erledigten - Bescheides vom 2.5.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 5.6.2012
ist nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG statthaft
(sog. Fortsetzungsfeststellungsklage).
Dabei handelt es sich um eine stets (kraft Gesetzes) zulässige Klageänderung (§ 99 Abs. 3 Nr. 3
SGG).

Der Kläger hat - auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung - ein Interesse an der von ihm begehrten Feststellung (vgl. § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG und hierzu z.B. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 131 Rn. 10 ff.).

Denn es besteht eine sog. Wiederholungsgefahr (vgl. hierzu z.B. BSG, Urteil vom 14.2.2013 - B 14
AS 195/11 R, juris: Rn. 16 und Keller, a.a.O., Rn. 10b f.).


Der Kläger ist weiterhin leistungsberechtigt i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Daran würde selbst die nach Aktenlage nachgewiesene und zeitlich auf bis zu sechs Monate beschränkt gewesene verminderte Erwerbsfähigkeit des Klägers (vgl. VerBIS-Vermerk vom 22.1.2014) nichts ändern.

Denn "auf (nicht) absehbare Zeit" i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB II bedeutet mehr als sechs Monate (sog. Systemabgrenzung zwischen dem SGB V und VI im Rahmen des § 43 SGB VI, welche im SGB II entsprechend zu berücksichtigen ist, vgl. z.B. Blüggel in: Eicher, SGB II, 3. Auf-
lage 2013, § 8 Rn. 31 m.w.N.).
Dem entsprechend bezieht der Kläger vom Beklagten ununterbrochen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Diese dürfen nach § 3 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB II nur erbracht werden, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann. Dieser sog. Vorrang der Selbsthilfe bezieht sich nach der Gesetzesbegründung auf den Grundsatz des Förderns und Forderns (vgl. Greiser in: Eicher, a.a.O., § 3 Rn. 23).

Unter Berücksichtigung der in Kapitel 1 des SGB II (Fördern und Fordern) enthaltenen Regelungen (vgl. weiterhin insb. § 1 Abs. 2 Satz 1 f., § 1 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1, 2 und 6, § 1 Abs. 3 sowie § 2 SGB II) kann (darf) der Beklagte auf weitere Leistungen zur Eingliederung (des Klägers) in Arbeit (§ 3 Abs. 1 und Kapitel 3, Abschnitt 1, §§ 14 ff. SGB II) auch zukünftig nicht verzichten (vgl. grundsätzlich zu Ansprüche[n] auf bedingte soziale Leistungen z.B. Eichenhofer, VSSR 2014, 195 ff. m.w.N.).

Schließlich ist der Kläger nach eigenen Angaben ebenso noch alleinerziehender Vater von drei minderjährigen Kindern.

Somit kann unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen auch in Zukunft eine mit der in diesem Verfahren streitigen Maßnahme vergleichbare Zuweisung des Klägers erfolgen.

Daran ändert nichts, dass stets die aktuellen sog. familienspezifischen Lebensverhältnisse zu berücksichtigen sind (§ 1 Abs. 2 Satz 4 Nr. 4 SGB II).

Rechtsgrundlage für den Eingliederungsverwaltungsakt vom 2.5.2012 ist § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II. Eine Eingliederungsvereinbarung über die Teilnahme des Klägers an der "Maßnahmekombination Alles" vom 7.5.2012 bis 6.2.(5.)2013 beim VBMK e.V. schlossen die Beteiligten nicht.

Der vom Beklagten vorgelegten Eingliederungsakte kann nicht entnommen werden, ob und wenn, inwieweit es hierzu vor dem 2.5.2012 "Kontakte" oder am 2.5.2012 Gespräche zwischen den Beteiligten zum Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung gab.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung erinnerte sich der Kläger hierzunach fast drei Jahren Zeitablauf nachvollziehbar - nur noch eingeschränkt.
Danach habe er wohl einige Tage davor eine entsprechende Vereinbarung erhalten. Mit den vorgelegten VerBIS-Vermerken kann dies nicht nachvollzogen werden. Danach wurde der Kläger erstmals am 2.5.2012 - nach Auswertung einer gutachterlichen Äußerung vom 13.4.2012 über seine Erwerbsfähigkeit - über eine erneute "Zuweisung" (durch "Vereinbarung") in eine sog. Maßnahme für Alleinerziehende ab dem 7.5.2012 informiert (vgl. Beratungsvermerk vom 2.5.2012: "... erfolgt heute Zuweisung in MK Alles ...; Zuweisung ausgehändigt,
Entwurf zdA; EV per VA erstellt und ... zur Teilnahme an 'Alles' verpflichtet ...").

Unter Berücksichtigung des Vorstehenden bestehen bereits Bedenken, ob eine - stets vorrangige (vgl. BSG, Urteil vom 14.2.2103, a.a.O., Rn. 18 f.) - Eingliederungsvereinbarung zwischen den Beteiligten nicht zustande kam (vgl. hierzu z.B. Sächs. LSG, Urteil vom 27.2.2014 - L 3 AS 639/10, juris: Rn. 31 f. m.w.N.) und damit eine Voraussetzung für die Ermächtigungsgrundlage des § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II gegeben ist.

Weiterhin können den vorgelegten Akten keine tatsächlichen Anhaltspunkte für ein vorangegangenes, umfassendes und aktuelles sog. Profiling (in der geltenden Gerichtssprache u.a.: nutzbare Erstellung des Gesamtbildes einer Persönlichkeit) entnommen werden
(vgl. hierzu auch § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB III i.d.F. ab dem 1.4.2012: "Potenzialanalyse").


Dies ist eine weitere wesentliche (Rechtmäßigkeits-) Voraussetzung für eine übereinstimmende (konsensuale) Lösung durch eine ingliederungsvereinbarung, welche durch einen hoheitlichen Rechtsakt des Beklagten ersetzt werden soll.

Die Kammer hält insoweit an der bisherigen Auffassung des Kammervorsitzenden (vgl. Urteil vom 19.2.2007 - S 19 AS 392/06, juris: Rn. 33 f.) fest (vgl. hierzu ["sogar"] die Fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit, z.B. zu § 15 SGB II, Fassung vom 20.8.2012, Rz. 15.1 und Nr. 2.1. f. der Anlage hierzu sowie zu den Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 45 SGB III - Maßnahmen bei einem Träger,

Stand: Juli 2012, Teil A Nr. 4). Bis zum Abschluss des Vorverfahrens war dem Beklagten nicht einmal die bisherige Erwerbsbiographie des Klägers vollständig bekannt (vgl. Widerspruchsbescheid vom 5.6.2012, Seite 2, Absatz 1, Unterabsatz 2).
Ungeachtet der vorstehenden Bedenken ist der Eingliederungsverwaltungsakt, einschließlich der Zuweisung des Klägers für die Zeit ab dem 7.5.2012, rechtswidrig. 

Denn die Verlautbarungen des Beklagten vom 2.5.2012 genügen grundsätzlichen Anforderungen an ein rechtmäßiges Handeln nicht. 

§ 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II verweist hinsichtlich des zulässigen Inhaltes eines Eingliederungsverwaltungsaktes auf § § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II (vgl. hierzu z.B. BSG, Urteil vom 2.4.2014 - B 4 AS 26/13 R, juris: Rn. 36 ff.). Gegenstand einer Eingliederungsvereinbarung und damit eines Eingliederungsverwaltungsaktes können konkrete Leistungen zurEingliederung in Arbeit nach § 16 ff. SGB II sein (§ 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II).

Als Rechtsgrundlage für die Zuweisung des Klägers ab dem 7.5.2012 kommt § 16 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 45 SGB III und § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II (jeweils i.d.F. ab dem 1.4.2012) in Betracht.

Dies würde auch gelten, wenn es sich bei dieser Zuweisung um eine gesonderte, d.h. unabhängig vom Eingliederungsverwaltungsakt ergangene, Regelung handeln sollte. Nach der vorgenannten Ermächtigungsnorm kann der Beklagte sog. Leistungen bzw. Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung erbringen.
§ 45 SGB III verzichtet weitgehend - soweit hier entscheidungserheblich (§ 45 Abs. 1 SGB III) - auf konkrete gesetzliche Regelungen zu den Voraussetzungen und zum Inhalt der zu gewährenden Leistungen (vgl. ausführlich und teils kritisch hierzu z.B. Bieback in: Gagel, SGB II und III, 56. EL 2014, SGB III § 45 insb. Rn. 1 ff., 6 f. und 44 ff. sowie Rademacker in: Hauck/Noftz, SGB III, Stand: 5/2012, K § 45 insb. Rn. 6, 20 und 36 f.).

Jedenfalls müssen die Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 45 Abs. 1 Satz 1 SGB III) für ihren Zweck (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB III) geeignet (§ 45 Abs. 1 Satz 1 SGB III: "die ihre berufliche Eingliederung") und notwendig sein (§ 45 Abs. 1 Satz 4 SGB III).

Wesentliche Grundlage für die Entscheidungen hierzu ist eine individuelle Feststellung der Eignung und individuellen Lebenssituation, insbesondere der familiären Situation bzw. familienspezifischen Lebensverhältnisse,
des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (§ 1 Abs. 2 Satz 4 Nr. 4 SGB II und § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II) bzw. dessen beruflichen und persönlichen Merkmale sowie beruflichen Fähigkeiten und Eignungen (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB III). 


Dies erstreckt sich auch auf die Feststellung, ob und durch welche Umstände die berufliche Eingliederung voraussichtlich erschwert sein wird (§ 37 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Ohne diese Feststellungen kann (auch) der Beklagte in der Regel nicht entscheiden, ob und wenn, inwieweit Leistungen zur Eingliederung, hier zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung geeignet und notwendig sind (vgl. ausführlicher hierzu z.B. Bieback, a.a.O., § 76 ff. und Rademacker, a.a.O., Rn. 71 ff.).

Weiterhin muss die auf dieser Grundlage vereinbarte oder wie hier zugewiesene - geeignete und notwendige - Leistung (Maßnahme) in der Eingliederungsvereinbarung oder wie hier durch Verwaltungsakt(e) individuell und eindeutig nach Art, Dauer sowie Zweck und Inhalt (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB III) bestimmt werden (vgl. § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB X bzw. § 33 Abs. 1 SGB X). Darauf weisen - wiederum "selbst" - die vorgenannten Fachlichen Hinweise hin (vgl. z.B. zu § 15 SGB II, Rz. 15.18 ff.).
Unter diesen Voraussetzungen kommen bei sog. Pflichtverletzungen auch sog. Sanktionen in Betracht (§ 31 Abs. 1 Satz 1 insb. Nr. 1 und 3 SGB II).

Ohne Einhaltung der vorgenannten (Mindest-) Anforderungen kann vom Gericht - insbesondere wie hier bei Verlautbarung von Verwaltungsakten - nicht überprüft werden, ob die dem Beklagten zustehenden Ermessensentscheidungen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten wurden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB I und § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Weitere allgemeine Ausführungen zu den rechtlichen Anforderungen an die hier streitige Entscheidung des Beklagten sind mangels Entscheidungserheblichkeit entbehrlich. Denn die Verlautbarungen des Beklagten vom 2.5.2012 werden bereits den vorgenannten (Mindest-) Anforderungen nicht gerecht.

Abgesehen von der fehlenden
- zumindest Dokumentation der Ergebnisse einer - "Potenzialanalyse" beim bzw. mit dem Kläger kann weder dem Eingliederungsverwaltungsakt noch der Zuweisung vom 2.5.2012 der konkrete Inhalt der "Maßnahmekombination" entnommen werden.

Unter 2. des Eingliederungsverwaltungsaktes wird hierzu ausgeführt: "Die ... soll Ihre berufliche Eingliederung durch eine Kombination der Fördermöglichkeiten gem. § 45 SGB III (u.a. Heranführung an den Arbeitsmarkt, Verringerung bzw. Beseitigung von Vermittlungshemnissen, Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung) unter-
stützen."
Die Wiederholung des - insoweit ebenso nicht aussagekräftigen (vgl. oben) - Gesetzeswortlautes (§ 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB III) ist nicht geeignet, um den individuellen Zweck und Inhalt der "Maßnahmekombination" zu bestimmen. 

Weitere Ausführungen hierzu enthalten die vorgenannten Verlautbarungen nicht. Auch aus den nachfolgenden Mitteilungen des Beklagten im Vorverfahren und in den gerichtlichen Verfahren lässt sich der Inhalt der Maßnahme nicht entnehmen. Selbst der Teilnehmervertrag vom 7.5.2012 beschränkt sich unter § 2 Abs. 1 lediglich auf die Wiedergabe des Ablaufes der
Maßnahme.

Davon abgesehen lag dieser Vertrag dem Beklagten nicht vor und wäre er nicht geeignet, eventuelle Mängel der Entscheidungen des Beklagten zu beheben.

Weiterhin hätte der Beklagte am 2.5.2012 über die genaue Dauer der Maßnahme entscheiden müssen.

Zwar sei eine "Zuweisung in Teilzeit vereinbart" worden (vgl. Beratungsvermerk vom 2.5.2012). Dies lässt sich jedoch dem Eingliederungsverwaltungsakt und der Zuweisung vom 2.5.2012 nicht entnehmen.
Der Teilnehmervertrag vom 7.5.2012 erweitert die Zuweisungsdauer - ggf. versehentlich - um drei Monate bis zum 6.5.2013 (§ 1) und normiert eine tägliche Anwesenheitszeit - in der sog. Startphase von "in der Regel" sechs Wochen - von neun Zeitstunden (§ 2 Abs. 3).

(Erst) Danach - am 8.5.2012 mit elektronischer Nachricht von 6:43 Uhr - teilte der Beklagte dem Träger mit, die tägliche Anwesenheit sei für vier Stunden (ab 9 Uhr) vereinbart worden. Wann und mit wem dies vereinbart wurde, ist nicht erkennbar.

Eine Vereinbarung mit dem Kläger kam - zumindest nach Auffassung des Beklagten - gerade nicht zustande. Die ihm gegenüber bekannt gegebenen Entscheidungen vom 2.5.2012 enthalten eine derartige "Vereinbarung" oder "Zuweisung" nicht.

Aus welchen Gründen der Kläger am 7.5.2012 einen Vertrag zu unterzeichnen hatte, dessen Inhalt hinsichtlich der Zeiten der Maßnahme weder mit der "Leistungsbeschreibung, die durch das zuständige Einkaufszentrum herausgegeben wird" (vgl. Schreiben des VMBK e.V. vom 27.6.2012), vereinbar ist noch in vollem Umfang beabsichtigt gewesen sei (vgl. Schreiben des Beklagten vom 29.6.2012 im Verfahren S 22 AS 1787/12 ER), ist rechtlich betrachtet - nicht nachvollziehbar.

Darüber hinaus
verweist der Eingliederungsverwaltungsakt vom 2.5.2012 hinsichtlich "der Übernahme von Bewerbungskosten, Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen und Maßnahmen beim Arbeitgebern" an den VMKB e.V. (vgl. unter 1. a.E.). Eine "diesbezügliche Förderung" sei durch den Beklagten nicht möglich.

Dies ist (auch) mit § 4 Abs. 2 des Teilnehmervertrages (Maßnahmekosten) nicht ohne weiteres vereinbar.

Denn darin werden nur - weder nach Art noch Höhe konkretisierte - "Fahrtkosten" benannt, für die der Kläger "seinen Anspruch (wohl gegen den Beklagten) an den Träger der Maßnahme abzutreten" bereit erkläre.
Die vom Beklagten erwähnte Übernahme der "Kinderbetreuungskosten ist wie der wesentliche Teil des Eingliederungsverwaltungsaktes - ebenso nicht hinreichend konkretisiert.

Von weiteren Ausführungen wird unter Würdigung des Vorstehenden abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Sächsischen Landessozialgericht,
Kauffahrtei 25, 09120 Chemnitz, schriftlich, mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder in elektronischer Form einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Leipzig, Berliner Straße 11, 04105 Leipzig schriftlich, mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder in elektronischer Form eingelegt wird.
Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa über den elektronischen Rechtsverkehr in Sachsen (SächsERVerkVO) vom 6. Juli 2010 (SächsGVBl. S. 190) in den elektronischen Gerichtsbriefkasten zu übermitteln ist; nähere Hinweise finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.
Die Einlegung der Berufung durch einfache E-Mail wahrt daher die Form nicht. Es wird darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel innerhalb der Frist in der vorgeschriebenen Form einzulegen ist.
Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Der Vorsitzende der 22. Kammer
Schiller
Richter am SG

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