Mittwoch, 26. März 2014

Unverschämter Rechtsbruch durch die ARGE

Jobcenter will Zahl der Widersprüche reduzieren, indem sie Hartz IV-Bezieher nicht auf die Möglichkeit hinweist, Bescheiden widersprechen zu können


Im Kreis Ostprignitz-Ruppin hat sich der Leiter des Jobcenters, Dr. Bernd Lüdemann, anscheinend eine spezielle Strategie ausgedacht, um die Zahl de Widersprüche gegen Jobcenter-Hartz-IV-Bescheide zu reduzieren. Denn diese sei unverhältnismäßig hoch. Wie die „Märkische Online-Zeitung“ berichtet, sollen Hartz IV-Bezieher zukünftig nicht mehr explizit darauf hingewiesen werden, dass sie die Möglichkeit haben, gegen Bescheide Widerspruch einzulegen. Fraglich ist jedoch, ob das rechtlich zulässig ist.

Hartz IV-Bezieher sollen im Kreis Ostprignitz-Ruppin zukünftig nicht mehr über ihre Rechte informiert werden Wer Leistungen nach SGB II beantragt, erhält einen Hartz IV-Bescheid über die Höhe und Dauer der gewährten Leistungen. Bei allen Entscheidungen, die das Jobcenter zum Antrag trifft, handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der als schriftlicher Bescheid ergeht. Jeder Leistungsbezieher hat das Recht, Widerspruch gegen den Bescheid als Ganzes oder gegen einzelne Punkte einzulegen. Da immer wieder Bescheide vom Jobcenter versendet werden, die entweder formelle oder inhaltliche Fehler beinhalten, ist die Zahl der Widersprüche in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen.

Wird dem Widerspruch nicht stattgegeben, besteht die Möglichkeit per Klage gegen den Bescheid vorzugehen. Auch diese Möglichkeit nutzen immer mehr Menschen – zu Recht. Auf Anfrage der Bundestagsfraktion „Die Linke“ bestätigte das Bundesarbeitsministerium im vergangenen Jahr, dass 44 Prozent der Klagen vor den Sozialgerichten zugunsten der Hartz IV-Bezieher entschieden werden.

Dr. Bernd Lüdemann vom Jobcenter im Kreis Ostprignitz-Ruppin scheint dennoch nicht der Ansicht zu sein, dass die hohe Zahl der Widersprüche und daraus resultierenden Klagen mit fehlerhaften Bescheiden in Verbindung steht. Zumindest beinhaltet seine Lösung des Problems nicht etwa eine bessere Qualifizierung der Mitarbeiter, um die Zahl der fehlerhaften Bescheide zu reduzieren. Vielmehr plant er, die Leistungsbezieher zukünftig nicht mehr explizit auf die Möglichkeit des Widerspruchs hinzuweisen, wie die Online-Zeitung berichtet. Stattdessen sollen aber vermehrt Gespräche mit den Hartz IV-Beziehern stattfinden, um Unklarheiten bei den Bescheiden bereits im Vorfeld auszuräumen. Gleichzeit weist Lüdemann jedoch auf personelle Engpässe hin. Wie dann zusätzliche Gespräche ermöglicht werden sollen, bleibt fraglich. Im vergangenen Jahr seien aber zusätzliche Mitarbeiter zur Verstärkung der Service-Gruppe, die die Widerspruchsbearbeitung übernimmt, bereitgestellt worden. (ag)

Ganz so einfach wird das aber nicht sein, denn:

Verwaltungsrecht

Eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung enthält nach § 58 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
  • die Bezeichnung als Rechtsbehelfsbelehrung oder Rechtsmittelbelehrung,
  • die Behörde oder das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf einzulegen ist sowie
  • die Frist, innerhalb der das Rechtsmittel einzulegen und gegebenenfalls zu begründen ist (nach § 70 VwGO ein Monat nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes),
  • eventuell einzuhaltende Formvorschriften bei der Einlegung oder Begründung (beispielsweise Unterzeichnung einer schriftlichen Begründung durch einen Rechtsanwalt).
Ist die Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft oder fehlt sie sogar ganz, so gilt für die Einlegung eines Rechtsbehelfs nach § 58 Abs. 2 VwGO eine Frist von einem Jahr. Gleiches gilt nach § 66 Sozialgerichtsgesetz für das sozialgerichtliche Verfahren und nach § 356 Abgabenordnung im Einspruchsverfahren vor den Finanzbehörden.
Auch im verwaltungsbehördlichen Bereich bestehen keine allgemein gültigen Regelungen über eine Rechtsbehelfsbelehrungspflicht. Bundesbehörden sind verpflichtet, dem schriftlichen Verwaltungsakt eine Rechtsbehelfsbelehrung anzufügen (§ 59 VwGO). Allen Widerspruchsbescheiden (ganz gleich, ob von Bundes- oder von Landesbehörden erlassen) muss eine Rechtsbehelfsbelehrung angefügt sein (§ 73 Abs. 3 VwGO). Im Bereich der Landesverwaltung verlangt teilweise das Sachrecht das Anfügen einer Rechtsbehelfsbelehrung (z. B. das Sozialrecht (§ 36 SGB X). Im Landesbereich besteht sonst, sofern dies nichts ausdrücklich gesetzlich angeordnet ist (z. B. in Berlin in § 3 VwVfGBln), keine allgemeine Pflicht, Rechtsbehelfsbelehrungen zu erteilen.
Im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten besteht eine allgemeine Belehrungspflicht (§ 117 Abs. 2 Nr. 6 VwGO).
Bleibt also abzuwarten, wann die ersten Klagen beim Verwaltungsgericht wegen Rechtsbeugung
eingehen

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